Was ist ein Verkehrswert?

Definition und Rechtsgrundlage

Definition und Rechtsgrundlage

Im allgemeinen Sprachgebrauch kursieren oft Begriffe wie

  • Schätzwert
  • Notwert
  • Liebhaberwert
  • Gefälligkeitswert
  • Interessentenwert
  • Verkaufswert
  • Immobilienwert

All diese Begriffe können je nach Interessenlage eine unterschiedliche Wertigkeit beinhalten und sind nicht normiert.

Des Weiteren sind die Begriffe

  • Beleihungswert

für die Beleihung von Grundstücken bei Banken und Sparkassen nach dem Pfandbriefgesetz - PfandBG bzw. der Beleihungswertermittlungsverordnung - BelWertV und

  • Einheitswert
  • Gemeiner Wert
  • Bedarfswert 

für die Besteuerung von Grundstücken für die Grund-, Erbschafts- und Grunderwerbsteuer durch die Finanzverwaltung nach dem Bewertungsgesetz - BewG gebräuchlich.

Der Beleihungswert nach PfandBG entspricht jedoch nicht dem Verkehrswert, da er konservativ unter besonderer Berücksichtigung der Risiken ermittelt wird.  Die Wertermittlung nach BewG ist ein stark typisierendes pauschaliertes Bewertungsverfahren, welches methodenbedingt die rechtlichen Gegebenheiten, tatsächlichen Eigenschaften und sonstige Beschaffenheit eines Grundstücks nicht berücksichtigen kann.

In Deutschland allgemein gültig und in der Rechtsprechung anerkannt wird die in § 194 des Baugesetzbuches - BauGB rechtlich normierte Bezeichnung

  • Verkehrswert

gleichbedeutend mit dem Begriff

  • Marktwert

für den Wert eines Grundstücks [Grund und Boden, Gebäude, Aufwuchs, Zubehör und Rechte] verwendet. In § 194 BauGB wird der Verkehrswert mit all seinen Voraussetzungen exakt definiert. 

§ 194 BauGB – Verkehrswert

„Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis(1) bestimmt, der in dem Zeitpunkt(2), auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr(3) nach den rechtlichen Gegebenheiten(4) und tatsächlichen Eigenschaften(5), der sonstigen Beschaffenheit(6) und der Lage des Grundstücks (7) oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung(8), ohne Rücksicht auf ungewöhnliche(9) oder persönliche Verhältnisse(10) zu erzielen wäre.“

Der Verkehrswert entspricht also dem Marktwert und ist ein fiktiver Wert, der dem Preis(1) entsprechen soll, der bei einem fiktiven Kauf zustande kommen würde. Es wird ein Zusammenhang zwischen Wert und Preis hergestellt.

Er ist auch eine zeitabhängige Größe(2) (Stichtagsprinzip), da er nur Gültigkeit hat zum Bewertungsstichtag (z.B. Zeitpunkt der Auflösung einer ehelichen Gemeinschaft oder eines Eigentumsübergangs bei einer Erbregelung) und für den Qualitätsstichtag (z.B. Zustand des Grundstücks bei Beginn einer ehelichen Gütergemeinschaft) auf den sich die Wertermittlung bezieht, besitzt.

Im gewöhnlichen Geschäftsverkehr(3) wird vorausgesetzt, dass auf dem freien Markt weder Käufer noch Verkäufer unter Zeitdruck, Zwang oder Not handeln müssen und ausschließlich objektive Maßstäbe für den Handel bestimmend sind.

Bei der Bewertung des Grundstücks sind all seine wertbeeinflussenden dinglich gesicherten, gesetzlichen, öffentlichen sowie vertraglichen Rechte(4) und Belastungen wie z.B. Dienstbarkeiten, Nutzungsrechte, Baulasten zu ermitteln und zu bewerten.

Auch die tatsächlichen Eigenschaften(5) des Grundstücks wie Zuschnitt des Grund- und Bodens, Baugrund, Altablagerungen u.v.m. müssen bei der Wertermittlung festgestellt und bewertet werden.

Als sonstige Beschaffenheit(6) werden z.B. der Bau- und Unterhaltungszustand, Umwelteinflüsse, Nutzung, Nutzungsmöglichkeiten und sonstige Merkmale gewertet.

Von entscheidender Bedeutung für den Verkehrswert eines Grundstücks ist seine Lage(7) z.B. in Bezug zu öffentlichen und privaten Infrastrukturen,  Einrichtungen der Versorgung mit Gütern des täglichen und wöchentlichen Bedarfs, Angebote an Freizeiteinrichtungen, Arbeitsplätzen, verkehrlichen Infrastrukturen und Umwelteinflüsse sowie Landschaft.

Zu prüfen ist, ob sonstige Gegenstände(8) wie z.B. Zubehör abgegrenzt und gesondert ausgewiesen werden muss.

Ungewöhnliche(9) Verhältnisse, wie z.B. außergewöhnliches Interesse eines Vertragspartners bei Liebhaberei oder Notverkauf bleiben bei der Wertermittlung unberücksichtigt.

Auch persönliches(10)  Interesse durch besondere Bindungen der Vertragspartner wie z.B. bei Verwandtschaft oder wirtschaftlichen Abhängigkeiten und sonstige persönliche Präferenzen sind auszuschalten.

Inhalt und Methodik der Verkehrswertermittlungen müssen einschließlich seiner Grenzen der „Richtigkeit“ eines Verkehrswerts in einem engen Rahmen gesehen werden. Die Vernachlässigung oder mangelhafte Wertung einzelner der oben angeführten Bewertungskriterien eines Grundstücks kann zur Nichtigkeit eines Verkehrswertgutachtens führen. So hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil am 12.01.2001 [V ZR 420/99] entschieden:

„Lässt sich ein ermittelter Verkehrswert trotz geschäftsüblicher Veräußerungsanstrengungen im Kaufpreis nicht realisieren, kann dies als deutlicher Hinweis auf eine nicht marktgerechte Verkehrswertermittlung verstanden werden.“

Die 10 Eckpunkte des Verkehrswerts in der Definition des Baugesetzbuches werden in der Immobilienwertermittlungsverordnung - ImmoWertV vertieft.

§ 1 ImmoWertV – Anwendungsbereich

(1)      Bei der Ermittlung der Verkehrswerte (Marktwerte) von Grundstücken, ihrer Bestandteile sowie ihres Zubehörs(8) und bei der Ableitung der für die Wertermittlung erforderlichen Daten einschließlich der Bodenrichtwerte ist diese Verordnung anzuwenden.

(2)      Die nachfolgenden Vorschriften sind auf grundstücksgleiche Rechte, Rechte an diesen und Rechte an Grundstücken sowie auf solche Wertermittlungsobjekte, für die kein Markt besteht, entsprechend anzuwenden. In diesen Fällen kann der Wert(1) auf der Grundlage marktkonformer Modelle unter besonderer Berücksichtigung der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile ermittelt werden.

§ 2 ImmoWertV – Grundlagen der Wertermittlung

Der Wertermittlung sind die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt am Wertermittlungsstichtag(2) (§ 3) und der Grundstückszustand am Qualitätsstichtag(2) (§ 4) zugrunde zu legen. Künftige Entwicklungen wie beispielsweise absehbare anderweitige Nutzungen (§ 4 Absatz 3 Nummer 1) sind zu berücksichtigen, wenn sie mit hinreichender Sicherheit auf Grund konkreter Tatsachen zu erwarten sind. In diesen Fällen ist auch die voraussichtliche Dauer bis zum Eintritt der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für die Realisierbarkeit einer baulichen oder sonstigen Nutzung eines Grundstücks (Wartezeit) zu berücksichtigen.

§ 3 ImmoWertV – Wertermittlungsstichtag und allgemeine Wertverhältnisse

(1)    Der Wertermittlungsstichtag(2) ist der Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung bezieht.

(2)    Die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt bestimmen sich nach der Gesamtheit der am Wertermittlungsstichtag für die Preisbildung(1) von Grundstücken im gewöhnlichen Geschäftsverkehr(3) (marktüblich) maßgebenden Umstände wie nach der allgemeinen Wirtschaftslage, den Verhältnissen am Kapitalmarkt sowie den wirtschaftlichen und demographischen Entwicklungen des Gebiets.

§ 4 ImmoWertV – Qualitätsstichtag und Grundstückszustand

(1)    Der Qualitätsstichtag(2) ist der Zeitpunkt, auf den sich der für die Wertermittlung maßgebliche Grundstückszustand bezieht. Er entspricht dem Wertermittlungsstichtag, es sei denn, dass aus rechtlichen oder sonstigen Gründen der Zustand des Grundstücks zu einem anderen Zeitpunkt maßgebend ist.

(2)    Der Zustand eines Grundstücks bestimmt sich nach der Gesamtheit der verkehrswertbeeinflussenden rechtlichen Gegebenheiten(4) und tatsächlichen Eigenschaften(5), der sonstigen Beschaffenheit(6) und der Lage des Grundstücks(7) (Grundstücksmerkmale). Zu den Grundstücksmerkmalen gehören insbesondere der Entwicklungszustand (§ 5), die Art und das Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung (§ 6 Absatz 1), die wertbeeinflussenden Rechte und Belastungen (§ 6 Absatz 2), der abgabenrechtliche Zustand (§ 6 Absatz 3), die Lagemerkmale (§ 6 Absatz 4) und die weiteren Merkmale (§ 6 Absatz 5 und 6).

(3)    Neben dem Entwicklungszustand (§ 5) ist bei der Wertermittlung insbesondere zu berücksichtigen, ob am Qualitätsstichtag

  1. eine anderweitige Nutzung von Flächen absehbar ist,
  2. Flächen auf Grund ihrer Vornutzung nur mit erheblich über dem Üblichen liegenden Aufwand einer baulichen oder sonstigen Nutzung zugeführt werden können.
  3. Flächen von städtebaulichen Missständen oder erheblichen städtebaulichen Funktionsverlusten betroffen sind,
  4. Flächen einer dauerhaften öffentlichen Zweckbestimmung unterliegen,
  5. Flächen für bauliche Anlagen zur Erforschung, Entwicklung oder Nutzung von Erneuerbaren Energien bestimmt sind,
  6. Flächen zum Ausgleich für Eingriffe in Natur und Landschaft genutzt werden oder ob sich auf Flächen gesetzlich geschützte Biotope befinden.

§ 5 ImmoWertV – Entwicklungszustand

(1)     Flächen der Land- oder Forstwirtschaft sind Flächen, die, ohne Bauerwartungsland, Rohbauland oder baureifes Land zu sein, land- oder forstwirtschaftlich nutzbar sind.

(2)     Bauerwartungsland sind Flächen, die nach ihren weiteren Grundstücksmerkmalen (§ 6), insbesondere dem Stand der Bauleitplanung und der sonstigen städtebaulichen Entwicklung des Gebiets, eine bauliche Nutzung auf Grund konkreter Tatsachen mit hinreichender Sicherheit erwarten lassen.

(3)     Rohbauland sind Flächen, die nach den §§ 30, 33 und 34 des Baugesetzbuchs für eine bauliche Nutzung bestimmt sind, deren Erschließung aber noch nicht gesichert ist oder die nach Lage, Form oder Größe für eine bauliche Nutzung unzureichend gestaltet sind.

(4)     Baureifes Land sind Flächen, die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften und den tatsächlichen Gegebenheiten baulich nutzbar sind.

§ 6 ImmoWertV – Weitere Grundstücksmerkmale

(1)     Art und Maß der baulichen oder sonstigen Nutzung ergeben sich in der Regel aus den für die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben maßgeblichen §§ 30, 33 und 34 des Baugesetzbuchs und den sonstigen Vorschriften, die die Nutzbarkeit betreffen. Wird vom Maß der zulässigen Nutzung in der Umgebung regelmäßig abgewichen, ist die Nutzung maßgebend, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zugrunde gelegt wird.

(2)     Als wertbeeinflussende Rechte und Belastungen kommen insbesondere Dienstbarkeiten, Nutzungsrechte, Baulasten sowie wohnungs- und mietrechtliche Bindungen in Betracht.

(3)     Für den abgabenrechtlichen Zustand des Grundstücks ist die Pflicht zur Entrichtung von nichtsteuerlichen Abgaben maßgebend.

(4)     Lagemerkmale von Grundstücken sind insbesondere die Verkehrsanbindung, die Nachbarschaft, die Wohn- und Geschäftslage sowie die Umwelteinflüsse.

(5)     Weitere Merkmale sind insbesondere die tatsächliche Nutzung, die Erträge, die Grundstücksgröße, der Grundstückszuschnitt und die Bodenbeschaffenheit wie beispielsweise Bodengüte, Eignung als Baugrund oder schädliche Bodenveränderungen. Bei bebauten Grundstücken sind dies zusätzlich insbesondere die Gebäudeart, die Bauweise und Baugestaltung, die Größe, Ausstattung und Qualität, der bauliche Zustand, die energetischen Eigenschaften, das Baujahr und die Restnutzungsdauer.

(6)     Die Restnutzungsdauer ist die Zahl der Jahre, in denen die baulichen Anlagen bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung voraussichtlich noch wirtschaftlich genutzt werden können; durchgeführte Instandsetzungen oder Modernisierungen oder unterlassene Instandhaltungen oder andere Gegebenheiten können die Restnutzungsdauer verlängern oder verkürzen. Modernisierungen sind beispielsweise Maßnahmen, die eine wesentliche Verbesserung der Wohn- oder sonstigen Nutzungsverhältnisse oder wesentliche Einsparungen von Energie oder Wasser bewirken.

§ 7 ImmoWertV – Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse

 Zur Wertermittlung und zur Ableitung erforderlicher Daten für die Wertermittlung sind  Kaufpreise und andere Daten wie Mieten und Bewirtschaftungskosten heranzuziehen, bei  denen angenommen werden kann, dass sie nicht durch ungewöhnliche(9) oder persönliche  Verhältnisse(10) beeinflusst worden sind. Eine Beeinflussung durch ungewöhnliche oder  persönliche Verhältnisse kann angenommen werden, wenn Kaufpreise und andere Daten  erheblich von den Kaufpreisen und anderen Daten in vergleichbaren Fällen abweichen.

§ 8 ImmoWertV – Ermittlung des Verkehrswerts

(1)    Zur Wertermittlung sind das Vergleichswertverfahren (§ 15) einschließlich des Verfahrens zur Bodenwertermittlung (§ 16), das Ertragswertverfahren (§§ 17 bis 20), das Sachwertverfahren (§§ 21 bis 23) oder mehrere dieser Verfahren heranzuziehen. Die Verfahren sind nach der Art des Wertermittlungsobjekts unter Berücksichtigung der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten und der sonstigen Umstände des Einzelfalls, insbesondere der zur Verfügung stehenden Daten, zu wählen; die Wahl ist zu begründen. Der Verkehrswert ist aus dem Ergebnis des oder der herangezogenen Verfahren unter Würdigung seines oder ihrer Aussagefähigkeit zu ermitteln.

(2)    In den Wertermittlungsverfahren nach Absatz 1 sind regelmäßig in folgender Reihenfolge zu berücksichtigen:

  1. die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt (Marktanpassung),
  2. die besonderen objektspezifischen Grundstücksmerkmale des zu bewertenden Grundstücks.

(3)    Besondere objektspezifische Grundstücksmerkmale wie beispielsweise eine wirtschaftliche Überalterung, ein überdurchschnittlicher Erhaltungszustand, Baumängel oder Bauschäden sowie von den marktüblich erzielbaren Erträgen erheblich abweichende Erträge können, soweit dies dem gewöhnlichen Geschäftsverkehr entspricht, durch marktgerechte Zu- oder Abschläge oder in anderer geeigneter Weise berücksichtigt werden.

Als weitere Regelungen zur Ermittlung des Verkehrswerts ergänzt die Richtlinie für die Ermittlung der Verkehrswerte (Marktwerte) von Grundstücken - Wertermittlungsrichtlinien - WertR 2006, mit den Anlagen 1 bis 11, sowie 12 bis 22 die ImmoWertV. Dabei ist jedoch zu beachten, dass hinsichtlich der Regelungen zum Sachwert die neuere Sachwertrichtlinie – SW-RL und zum Ertragswert die neuere Ertragswertrichtlinie – EW-RL zu beachten sind.

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